Das ökologische Bewusstsein in der Gesellschaft wächst – und damit auch der Druck auf Unternehmen, die eigenen Prozesse selbst nachhaltiger zu gestalten. Die IT ist einerseits als Verursacher ökologischer Probleme, andererseits als Hoffnungsträger einer nachhaltigen Gesellschaft im Gespräch. Wir erklären, was es mit Green IT auf sich hat, wie die IT-Infrastruktur die Umwelt belastet und wo sie selbst das Potenzial hat, den ökologischen Umbau der Gesellschaft mitzugestalten.
Green-IT: Was heißt das eigentlich?
Unter Green IT versteht man Maßnahmen, die versuchen, Herstellung, Nutzung und Entsorgung von IT-Geräten und Dienstleistungen umweltverträglich und ressourcenschonend zu gestalten. Dazu gehören Maßnahmen zur Verlängerung des Lebenszyklus, der Verbesserung der Wiederverwertbarkeit und der tatsächlichen Wiederverwertung und ein besseres Abfallmanagement. Auf der anderen Seite umfasst Green IT auch Produkte und Maßnahmen, die IT-Technologien nutzen, um in anderen Bereichen energieeffizienter und ressourcenschonender zu werden.
Der Begriff der Green IT existiert bereits seit Beginn der 1990er-Jahre und nahm mit der Einführung des “Energy Star”-Labels der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde Einzug in die öffentliche Debatte. An Bedeutung gewinnt der Begriff in den letzten 15 Jahren. Einerseits wird die IT für alle Bereiche der Gesellschaft immer wichtiger, andererseits wächst das Bewusstsein für die Gefahren, die von der Belastung der Umwelt für uns und unseren Planeten ausgehen.
So belastet die wachsende IT-Infrastruktur die Umwelt
Mit der wachsenden Bedeutung der IT für Gesellschaft und Wirtschaft nehmen auch die durch sie verursachten Belastungen für die Umwelt zu. Ein wesentlicher Faktor dabei sind die CO2-Emissionen. Diese blieben in den letzten Jahren zwar weitgehend konstant, liegen aber trotzdem auf demselben Niveau wie der des gesamten Flugverkehrs auf der Welt. Der Think-Tank The Shift Project schätzt außerdem, dass die CO2-Emissionen der gesamten Digitalwirtschaft bis 2025 etwa 8 % des globalen CO2-Ausstoßes ausmachen werden – das wären mehr Emissionen als alle Autos und Motorräder der Welt zusammen produzieren Lean-ICT-Report / The-Shift-Project_2019 (PDF). Dabei müssen diese Zahlen allerdings auch ins Verhältnis zur gesellschaftlichen Nutzung und Bedeutung gesetzt werden. Nur ein Zehntel der Weltbevölkerung nutzt Flugzeuge, während mehr als ⅔ auf IT-Geräte angewiesen sind.
Auch der Stromverbrauch ist eine Belastung für die Umwelt, solange die Energieerzeugung global immer noch weitgehend aus fossilen Technologien beruht. In Deutschland ist der Gesamtverbrauch in den letzten Jahren leicht rückläufig – global steigt der Verbrauch allerdings an. Die Experten des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit prognostizieren global einen Anstieg des durch Rechenzentren verursachten Stromverbrauchs von mehr als 60 Prozent. Die Deutschen Energie Agentur kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: dena-METASTUDIE PDF
Eine größerer werdende IT-Infrastruktur hat auch steigende Abfallmengen zur Folge. Das Problem mit den Elektroabfällen ist die aufwendige und kostenintensive Entsorgung. Daher exportieren einige Akteure illegal Elektroabfälle in andere Länder. In diesen Ländern existieren keine oder lockerere Regeln zur Abfallentsorgung. Damit wird das Problem nicht gelöst, sondern verschoben – denn Elektromüll sondert Schadstoffe ab, die die umliegende Natur belasten und Böden unfruchtbar machen. FAZ: Illegale Müllexporte auch aus Deutschland?
Nachhaltige IT: Was können Unternehmen tun?
Für Unternehmen ergeben sich viele Herausforderungen, um die eigene IT-Infrastruktur auf nachhaltigere Füße zu stellen. Mit einem größer werdenden Bewusstsein und stärkeren Forschungsbemühungen gibt es aber immer mehr Lösungen, mit denen kleine und mittlere Unternehmen Schritt für Schritt an einer nachhaltigen Restrukturierung der IT-Infrastruktur arbeiten können.
IT-Geräte nachhaltiger und effizienter einsetzen
Durch den Siegeszug von Cloud-Anwendungen benötigen KMU weniger häufig leistungsstarke Hardware. Stattdessen nutzen sie die Rechenkapazitäten von Drittanbietern und verbrauchen dabei nur das, was sie auch wirklich benötigen. So können Cloud-Anbieter dieselbe Rechenleistung mit weniger Energieverbrauch bereitstellen.
Mit Green IT Prozesse energieeffizienter und ressourcenschonender gestalten
Auch wenn die IT-Infrastruktur an vielen Punkten nicht nachhaltig ist, ist eine klug eingesetzte IT ein Werkzeug, um Prozesse in Produktion, Logistik oder Verwaltung nachhaltiger zu gestalten. Im Bereich der Stromerzeugung bieten smarte IT-Lösungen den Stromanbietern die Möglichkeit, die Last- und Kapazitätsmanagement automatisiert zu optimieren. Im Geschäftsalltag jedes Unternehmens hilft eine solide IT-Infrastruktur dabei, die eigenen Büroprozesse papierlos zu gestalten.
Nachhaltige Beschaffung von IT-Geräten
Die Beschaffung bildet das zweite Feld auf denen kleine und mittelständische Unternehmen ansetzen können, um sich in der IT nachhaltiger aufzustellen. Durch die gezielte Anschaffung von Geräten ohne schädliche Auswirkungen können sie Einfluss auf den Markt nehmen und langfristig das Angebot verändern.
Weil die Prüfung im Einzelfall sehr aufwendig ist, empfiehlt es sich, auf die verschiedenen Umweltsiegel zu setzen, die von Institutionen etabliert wurden. Das älteste deutsche Umweltsiegel ist der “Blaue Engel”. Mit dem “Blauen Engel” werden auch Arbeitsplatzcomputer hinsichtlich Energieverbrauch, Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit bewertet. Seit 1992 existiert zudem das europäische “EU Ecolabel”, mit dem Computer, Notebooks und andere IT-Geräte hinsichtlich Ihrer Umweltfreundlichkeit bewertet. Das Energy Star Gütesiegel weist besonders Strom-effiziente Geräte für das Büro aus. Wer tiefer in die Materie gehen möchte, findet im Guide to greener electronics der NGO Greenpeace Informationen zu den Bemühungen der großen Konzerne, nachhaltiger zu agieren: Verwendung von erneuerbaren Energien, Verlängerung des Lebenszyklus der Produkte, Menge des Abfalls sind einige Kriterien, anhand derer Greenpeace die großen Unternehmen untersucht hat und Kunden so eine einfache Möglichkeit bietet, um die eigenen Lieferketten auf den Prüfstand zu stellen. Greenpeace: Guide to Greener Electronics
Wiederverwertung und Zweitnutzung von IT-Geräten
Obwohl die Rechenleistung längst nicht mehr exponentiell steigt, ist der durchschnittliche Lebenszyklus eines Computers seit Anfang der 1990er von durchschnittlich sieben Jahren auf heute zwei Jahre gesunken. Dabei gehen die Geräte nicht früher kaputt, sie werden wegen geringerer Kosten nur öfter durch leistungsfähigere Modelle ersetzt. In den letzten Jahren haben sich hier immer mehr tragfähige Strukturen für die systematische Wiederverwendung gebrauchter IT-Geräte gebildet, die noch funktionierende Hardware anderen Unternehmern oder Privatkunden zugänglich macht – nicht zuletzt bedingt durch die digitale Transformation und den Siegeszug digitaler Plattformen.
Unternehmen verringern so die Anschaffungskosten für neue Hardware, produzieren weniger Elektroabfall und sparen Ressourcen, die für die Produktion eines neuen Geräts benötigt worden wären. Dies ist insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen interessant, die die IT-Infrastruktur vor allem für die Kommunikation und die Verwaltung nutzen, sodass sie in den seltensten Fällen aktuellste Hardware benötigen. Durch die bereits angesprochene Cloudifizierung der IT-Infrastruktur sinken die Anforderungen an die Hardware weiter. Für viele Anwendungen wird heute nur ein Endgerät mit Browser und Internetleitung benötigt – eine besondere Hardware ist nicht mehr nötig.
Green IT der Zukunft: Life Cycle Thinking
Auch die Forschung zu Themen der nachhaltigen IT hat in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen. Unter dem Stichwort des Life Cycle Engineering erforschen große Akteure wie das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration in Berlin zu nachhaltigen IT-Lösungen. Fraunhofer-Institut: Technologien für ressourceneffiziente Elektroniksysteme. Auch Green IT als Geschäftsfeld wächst. Um die wachsende Green-IT-Branche abzubilden, existiert mittlerweile eine eigene Messe mit dem Namen “Electric Goes Green“, auf der Unternehmen alle vier Jahre nachhaltige Innovationen für die IT vorstellen.
Green IT als Herausforderung und Chance für kleine und mittelständische Unternehmen
Für kleine und mittlere Unternehmen bieten sich viele Ansatzpunkte, um die eigene IT-Infrastruktur nachhaltig aufzustellen und sie dafür zu nutzen, insgesamt nachhaltiger zu werden. Das beginnt bei der Beschaffung, wo Umweltsiegel helfen, nachhaltigere Lieferketten aufzubauen, geht weiter bei der smarten Nutzung bestehender Ressourcen durch Cloud-Technologie und intelligentes Energiemanagement und endet bei der Wiederverwertung und Zweitnutzung technischer Geräte. Auch wenn viele dieser Maßnahmen mit einem gewissen Investitionsbedarf verbunden sind, lohnt sie sich langfristig. Schließlich geht eine effizientere Nutzung von Ressourcen und Geräten in der Regel auch ein Kostenvorteil einher. Green IT ist so nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance: Unternehmen, die heute in nachhaltige digitale Infrastruktur investieren, können das Unternehmen insgesamt effizienter aufstellen und sich so einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
David Rygiel - 07.03.2021